Mira Wunder und das Wollkombinat wünschen allen Besuchern eine märchenhafte Adventszeit.

Als Chiara erwachte, war es dunkel um sie herum. Was war geschehen? Hatte sie geschlafen? War sie ohnmächtig geworden? Vorsichtig richtete sie sich auf und sah sich um. Durch die Tür, die sie anscheinend vor Schreck vergessen hatte zu schließen, fiel ein Streifen weißen Lichts aus der Halle herein. Der Raum hatte abermals eine deutliche Veränderung erfahren. Eldoran lag noch immer reglos am Boden. Doch der Schnee, der sie beide zugedeckt hatte, war verschwunden. Stattdessen hatte sich eine dicke Schicht aus Staub und heruntergebrochenem Putz auf alles gelegt, auch auf sie und Eldoran. Chiara musste nicht lange grübeln, woher diese gekommen war. Die verkohlten Balken hatten die Decke nicht mehr halten können. Sie war an mehreren Stellen eingestürzt. Chiara wunderte sich nur darüber, dass sie von alledem nichts mitbekommen hatte. Es musste wohl doch eine Ohnmacht gewesen sein, denn so fest konnte niemand schlafen.
Plötzlich fiel auch durch die verstaubten Fenster Licht in das Laboratorium oder was davon noch übrig war. Gespenstisch blaues Licht, das aufblitze und wieder verschwand und sofort wieder aufflackerte. Es kam nicht aus der Halle, sondern von der Lichtung vor dem Haus.
Was taten die Magier da draußen?
Ein barsche Stimme fragte: "Hallo? Ist da jemand?"
Das klang nicht sehr magisch. Chiara zog es dennoch vor, sich still zu verhalten. Der Besitzer der Stimme besann sich nun wohl auf seine Mission, denn er versuchte es noch einmal: "Hallo! Hier spricht die Polizei. Melden Sie sich!"
Polizei? Wie kam die hier her? Sollte sie sich vielleicht doch bemerkbar machen? Chiara zögerte noch immer.
Eine andere Männerstimme, die irgendwie mürrisch klang, meldete sich zu Wort: "Komm weg hier, da ist nichts."
"Und wenn jemand verletzt ist da drinnen? Lass uns nachsehen."
Im zuckenden Blaulicht war es ihr zuerst nicht aufgefallen, doch nun stellte Chiara fest, dass das weiße Licht in der Halle erloschen war. Was war mit den Magiern geschehen? Waren sie aus Angst vor Entdeckung geflohen, als die Polizisten aufgetaucht waren, oder verhielten sie sich nur still? Wie es auch sein mochte, dies war Chiaras Chance, hier weg und endlich wieder nach Hause zu kommen. Vielleicht ihre einzige.
"Hallo, hier bin ich", rief sie und achtete darauf, dass ihre Stimme nicht allzu kräftig klang. Ihre Gedanken rasten. Hastig zwängte sie sich in eine Lücke zwischen einem umgestürzten Regal und einem der heruntergebrochenen Balken. Es musste aussehen, als sei sie eingeklemmt. So würde sie, wenn nötig, erklären können, warum sie nicht längst versuchte hatte, Hilfe für Eldoran zu holen.
Draußen rief der erste Polizist, der von Anfang an hatte helfen wollen: "Wo sind Sie? Sagen Sie etwas!"
"Hier drinnen. Hier bin ich." Sie ruckelte an einem Regalboden. Es polterte und beinahe wäre ihr tatsächlich der morsche Balken auf den Kopf gefallen. Das fehlte gerade noch!
"Ich gehe da jetzt rein", sagte der Polizist zu seinem Kollegen. "Warte hier."
Dann hörte Chiara das Knarren der großen Eingangstür. Danach knirschten schwere Schritte in der Halle. Es klang, als lägen auch dort überall Putz und Mauerstücke am Boden. Vielleicht war eine der Galerien eingestürzt.
"Hallo?"
"Hier, hier drinnen." Es klang zaghaft.
Dann wurde die Tür zum Laboratorium vollends geöffnet. Der Strahl einer starken Taschenlampe strich durch den Raum.
"Liebe Güte!"
Mit schnellen Schritten war der Uniformierte bei Chiara. Er versuchte, den Balken anzuheben, unter dem sie lag, und sie schlüpfte darunter hervor, als wäre es ihm tatsächlich gelungen, sie zu befreien.
"Danke. Sie sind meine Rettung."
"Was machen Sie überhaupt hier?"
"Ich", Chiara stockte, "ich weiß nicht." Was sollte sie ihm sagen? Dass sie hier war, um einen Zauberer vor anderen Zauberern zu retten? Das konnte sie wohl kaum erzählen, ohne dass er sie für völlig übergeschnappt hielt. Wenn sie nur wüsste, wieso die Polizei sich plötzlich für die Ruine interessierte. Bevor sie es sich verkneifen konnte, stellte sie die Frage laut: "Wie kommen Sie überhaupt hierher?"
"Vom Feuerwachturm Hochwald aus hat jemand das Gewitter beobachtet und gemeldet, dass Blitze eingeschlagen haben. Da wollten wir nach dem Rechten sehen."
"Aber es gibt doch überhaupt keinen Weg hierher."
"Von Hochwald aus führt eine Schneise durch den Wald. Jetzt kommen Sie. Können Sie gehen?"
Er griff nach ihrem Arm, um sie zu stützen, und Chiara humpelte ein wenig, um hilfloser zu wirken.
"Wir haben uns ein wenig verirrt, und dann hat uns das Unwetter überrascht", erzählte Chiara stockend. Wenn er sie hier wegbrachte, hatte er eine Erklärung verdient, auch wenn sie frei erfunden war.
"Wir? Ist etwa noch jemand hier?"