Mira Wunder und das Wollkombinat wünschen allen Besuchern eine märchenhafte Adventszeit.

Sie wollte gerade fragen, wer Eldorans Familie bekämpfte und warum, da flog die Tür auf und Balendar stürmte herein, das Gesicht gerötet, das dunkle Haar zerzaust. Über der Schulter trug er ein Schwert, von dem Chiara vermutete, es müsse Gotahardt sein.
"Eldoran, schnell. Bring die Frauen fort."
Der Genannte schlug die Tür zu und sprang in die Ecke bei den Truhen, wo er ein schweres Regal einen Spalt breit zur Seite schob. Mit einem grollenden Geräusch öffnete sich dahinter ein schmaler Durchgang. Tenara hatte Chiara am Handgelenk gepackt und zog sie dort hin, während Balendar den Kolben mit der simmernden Flüssigkeit aus der Halterung riss und seinen Inhalt in den Kupferkessel goss. Der Kräutertrank darin schäumte zischend auf und giftgrüner, beißender Qualm erfüllte das Laboratorium, so dass man kaum noch etwas sehen konnte. Das Zischen und Brodeln im Kessel schwoll zu einen Fauchen und Donnern an, das den Raum erfüllte. Chiara schossen Tränen in die Augen. Sie wusste nicht, ob sie von dem Qualm herrührten, von ihrer Müdigkeit oder ob ihr all das einfach zu viel war.
Während Tenara an ihrem Arm zerrte, sah sie schemenhaft durch die grünen Nebel, wie Eldoran aus einem Korb mit Brennholz einen langen Knüppel heraus riss, der sich in seinen Händen zu einem weiteren Schwert formte, nicht ganz so lang, wie Gotahardt, aber schwarz und Unheil verheißend.
Was passierte hier? Wurden sie angegriffen? Wen, außer Balendar und Eldoran gab es, der sie hier verteidigen konnte?
Tenara hatte Chiara endlich durch den Spalt in der Wand gezogen, der sich bereits wieder zu schließen begann, da kam Balendar ein paar Schritte auf sie zu. Sein Gesicht war von Wut verzerrt und sein ausgestreckter Finger zeigte auf ihr Herz, als wollte er sie damit erstechen: "Und du", fauchte er sie an. "Hör auf zu denken!"
Der Spalt in der Wand schloss sich mit einem letzten Grollen, das im Tosen der im Labor entfesselten Kräfte unterging.
Dann war es still um die beiden Frauen. Still und dunkel.
Einen Moment lang verharrten beide reglos. Dann begann Tenara mit irgendetwas zu hantieren, das Chiara nicht sehen konnte. Immerhin erkannte sie an der Wand zwei Vierecke, die heller waren, als das Dunkel ringsum. Draußen vor den Fenstern graute der Morgen. Aus irgendeinem Grund erfüllte dies Chiara mit Hoffnung. Fanden die Kämpfe der Magier vielleicht nur nachts statt?
"Hör auf damit", sagte Tenara scharf. Dann flammte eine einzelne Kerze auf. Die Magierin murmelte etwas, das Chiara nicht verstehen konnte und vor ihren Augen verschwanden die Fenster. Glattes Mauerwerk trat an ihre Stelle.
Dann begann Tenara in einer der Kisten zu kramen, die hier überall herum standen. Sie sah Chiara nicht an, als sie sagte: "Balendar hat recht. Du musst lernen, damit umzugehen. Sonst bringst du uns alle in Gefahr."
"Was denn? Ich tue doch gar nichts!"
"Oh doch, du tust etwas. Schon die ganze Zeit. Und", jetzt sah sie Chiara in die Augen, "die Gefahr, die von dir ausgeht, ist größer, als der Nutzen."
"Gefahr, Nutzen. Ich verstehe es nicht. Erkläre es mir."
Leise setzte sie hinzu: "Bitte."
"Du hast selbst bereits bemerkt", sagte Tenara versöhnlicher, "dass du eine Menge Magie besitzt. Ich weiß nicht, warum sie dir nicht wie allen anderen Menschen abhanden gekommen ist, aber das tut jetzt auch nichts zur Sache. Immerhin kannst du die stille Sprache anwenden. Aber du beherrschst sie nicht, du kannst sie nicht richten, an diejenigen, für die sie bestimmt ist. Jeder Magier, der in der Nähe ist, kann deine Gedanken hören. Damit bist du gefährlich. Für uns und für dich selbst."
"Indem ich Dinge verrate, die die anderen besser nicht wissen sollten", flüsterte Chiara.
"Hier drinnen musst du nicht flüstern. Ich habe einen Schutzzauber gewirkt, der uns abschottet. Allerdings weiß ich nicht, wie lange er halten wird. Menschen fernhalten ist das eine. Aber da draußen sind Magier. Und sie sind keine Anfänger. Wir haben also nicht viel Zeit."
Dann lehrte Tenara sie, ihre Gedanken zu unterscheiden. Erklärte ihr, wie sie die stille Sprache an einzelne Personen richten konnte, ohne dass andere sie belauschen konnten.
"Das wirst du üben müssen. Dazu ist jetzt keine Zeit. Wichtiger ist, alle deine Gedanken zu beherrschen und die harmlosen so über die wichtigen zu legen, dass diese nicht nach draußen dringen."
Chiara begriff, dass sie von nun an hell wach sein musste und auf alles achten, was ihr im Kopf herum schwirrte. Dieses Treibenlassen, ihren Gedanken nachhängen, das sie so liebte und dessentwegen sie am Nachmittag zuvor - war das wirklich erst wenige Stunden her? - in den Wald gekommen war, konnte sie sich nicht mehr erlauben. Sie durfte nicht darüber nachdenken, welche Arten von Magie sie außer der stillen Sprache noch besaß, denn wenn die fremden Magier davon erfuhren, konnten sie sie nicht davon kommen lassen, so gering ihre Fähigkeiten auch sein mochten. Das musste Tenara gemeint haben, als sie am Abend sagte, Chiara sei draußen im Wald genauso gefährdet wie Eldoran.