Eldoran? So war er also doch noch am Leben. Aber was sollte sie tun? Zurückkehren zu dem Haus, in dem sie nie hatte sein wollen und aus dem sie nur mit Mühe und Not entkommen war? Oder doch lieber weiter ihren Weg gehen und hoffen, irgendwann heim zu finden? Aber wo war dieser Weg? Und wo war Eldoran?
Chiara.
Sie drehte den Kopf. Obwohl diese Stimme nur in ihren Gedanken existierte, schien sie aus einer bestimmten Richtung zu kommen. War das die Richtung, in die sie gehen musste? Hatte sie sich nicht längst verlaufen? Da konnte sie genauso gut der Stimme folgen. Schlimmer, als es bereits war, konnte es nicht mehr kommen.
Sie setzte sich wieder in Bewegung und hoffte jetzt geradezu, Tenaras Ruf noch einmal zu hören, um die Orientierung, so winzig sie sein mochte, nicht gleich wieder zu verlieren. Obwohl sie wusste, dass die Stimme in ihre Gedanken eindrang, nicht in ihre Ohren, lauschte sie angestrengt und nahm wenig später ein Geräusch wahr, das ihr in diesem Moment viel nützlicher war, als Tenaras Ruf. Das Plätschern eines Baches.
Sie ging, nein, sie hastete ihm entgegen. Die letzten Meter rannte sie sogar, soweit das im Unterholz und zwischen den hohen Farnen, die hier wuchsen, überhaupt möglich war.
Dann stand sie vor einer klaren Quelle, die munter zwischen moosbewachsenen Steinen hervorsprudelte und sich in eine kleine Mulde aus Flusskieseln ergoss. Ohne sich Gedanken darüber zu machen, woher diese Quelle plötzlich kam und weshalb sie sie erst auf dem Rückweg zum Haus entdeckte und nicht schon, als sie von dort gekommen war, kniete Chiara im Moos nieder, schöpfte mit beiden Händen das Wasser aus der Mulde und trank gierig die ersten Schlucke. Das Wasser war kühl und frisch und schmeckte ein klein wenig metallisch. Für den Bruchteil eines Moments erwartete Chiara, dass irgendetwas Unheimliches mit ihr geschah. Vielleicht, dass sie sich in ein Reh verwandelte.
Sie beugte sich über die Mulde, um ihr Spiegelbild zu betrachten und erschrak. Das zittrige wellige Bild zeigte ihr ein heruntergekommenes Weib mit zerzausten Haaren, in denen sich Tannennadeln und trockene kleine Zweige verfangen hatten. Das eingefallene Gesicht starrte vor Schmutz. Über die rechte Wange lief ein breiter blutiger Striemen. Sie wischte mit nassen Händen über ihr Gesicht. Dabei verschmierte sie den Schmutz und machte alles noch schlimmer. Auch ihre Kleider verdienten diesen Namen nicht mehr. Es waren nur noch Fetzen.
Immerhin war sie kein Reh. Sie schüttelte den Kopf. Du liest entschieden zu viele Märchen, dachte sie. Doch war nicht alles, was sie seit dem vergangenen Nachmittag erlebt hatte, wie ein Märchen? Oder eher wie eine Gruselgeschichte?
Chiara.
Die Stimme klang - traurig. Chiara beeilte sich, ihr zu folgen. Das Gehen fiel ihr jetzt leichter, was nicht nur daran lag, dass das Wasser sie erfrischt hatte. Auch das Unterholz war verschwunden und zwischen den hohen Stämmen lief sie auf einem weichen Teppich aus Tannennadeln. Sie war sicher, dass sie diesen Weg vorher nicht entlang gekommen war. Doch es war ein angenehmerer Weg, als bisher, denn die Abstände zwischen den Stämmen wurden weiter und durch die dichten Kronen drang ab und an ein Sonnenstrahl und malte helle Kringel auf den Waldboden. Es wäre beinahe schön gewesen, hätte da nicht die Sorge an ihr genagt, was sie am Ende ihres Weges wohl erwarten mochte.
Lange blieb sie darüber nicht mehr im Unklaren, denn schon bald mischten sich Laubbäume zwischen die Tannen. Dann hatte sie den Rand der Lichtung erreicht und vor ihr lag die Ruine des alten Herrenhauses, dessen einstige Schönheit man im hellen Licht der Mittagssonne noch immer erahnen konnte.
Chiara.
Sie drehte den Kopf. Obwohl diese Stimme nur in ihren Gedanken existierte, schien sie aus einer bestimmten Richtung zu kommen. War das die Richtung, in die sie gehen musste? Hatte sie sich nicht längst verlaufen? Da konnte sie genauso gut der Stimme folgen. Schlimmer, als es bereits war, konnte es nicht mehr kommen.
Sie setzte sich wieder in Bewegung und hoffte jetzt geradezu, Tenaras Ruf noch einmal zu hören, um die Orientierung, so winzig sie sein mochte, nicht gleich wieder zu verlieren. Obwohl sie wusste, dass die Stimme in ihre Gedanken eindrang, nicht in ihre Ohren, lauschte sie angestrengt und nahm wenig später ein Geräusch wahr, das ihr in diesem Moment viel nützlicher war, als Tenaras Ruf. Das Plätschern eines Baches.
Sie ging, nein, sie hastete ihm entgegen. Die letzten Meter rannte sie sogar, soweit das im Unterholz und zwischen den hohen Farnen, die hier wuchsen, überhaupt möglich war.
Dann stand sie vor einer klaren Quelle, die munter zwischen moosbewachsenen Steinen hervorsprudelte und sich in eine kleine Mulde aus Flusskieseln ergoss. Ohne sich Gedanken darüber zu machen, woher diese Quelle plötzlich kam und weshalb sie sie erst auf dem Rückweg zum Haus entdeckte und nicht schon, als sie von dort gekommen war, kniete Chiara im Moos nieder, schöpfte mit beiden Händen das Wasser aus der Mulde und trank gierig die ersten Schlucke. Das Wasser war kühl und frisch und schmeckte ein klein wenig metallisch. Für den Bruchteil eines Moments erwartete Chiara, dass irgendetwas Unheimliches mit ihr geschah. Vielleicht, dass sie sich in ein Reh verwandelte.
Sie beugte sich über die Mulde, um ihr Spiegelbild zu betrachten und erschrak. Das zittrige wellige Bild zeigte ihr ein heruntergekommenes Weib mit zerzausten Haaren, in denen sich Tannennadeln und trockene kleine Zweige verfangen hatten. Das eingefallene Gesicht starrte vor Schmutz. Über die rechte Wange lief ein breiter blutiger Striemen. Sie wischte mit nassen Händen über ihr Gesicht. Dabei verschmierte sie den Schmutz und machte alles noch schlimmer. Auch ihre Kleider verdienten diesen Namen nicht mehr. Es waren nur noch Fetzen.
Immerhin war sie kein Reh. Sie schüttelte den Kopf. Du liest entschieden zu viele Märchen, dachte sie. Doch war nicht alles, was sie seit dem vergangenen Nachmittag erlebt hatte, wie ein Märchen? Oder eher wie eine Gruselgeschichte?
Chiara.
Die Stimme klang - traurig. Chiara beeilte sich, ihr zu folgen. Das Gehen fiel ihr jetzt leichter, was nicht nur daran lag, dass das Wasser sie erfrischt hatte. Auch das Unterholz war verschwunden und zwischen den hohen Stämmen lief sie auf einem weichen Teppich aus Tannennadeln. Sie war sicher, dass sie diesen Weg vorher nicht entlang gekommen war. Doch es war ein angenehmerer Weg, als bisher, denn die Abstände zwischen den Stämmen wurden weiter und durch die dichten Kronen drang ab und an ein Sonnenstrahl und malte helle Kringel auf den Waldboden. Es wäre beinahe schön gewesen, hätte da nicht die Sorge an ihr genagt, was sie am Ende ihres Weges wohl erwarten mochte.
Lange blieb sie darüber nicht mehr im Unklaren, denn schon bald mischten sich Laubbäume zwischen die Tannen. Dann hatte sie den Rand der Lichtung erreicht und vor ihr lag die Ruine des alten Herrenhauses, dessen einstige Schönheit man im hellen Licht der Mittagssonne noch immer erahnen konnte.